Das Beste aus Esslingen.
Unbegrenzt lesen mit EZ Plus.
Das Beste aus Esslingen. Mit EZ Plus unbegrenzt Inhalte der Esslinger Zeitung lesen.
Treffpunkt Familie

Anzeige

Familie & Leben

Treffpunkt Familie

Treffpunkt Familie

Taschengeld ist ein gutes Instrument, um haushalten zu lernen. Nimmt man dazu noch drei einfache Haushaltsgläser, lernen die Kinder ganz nebenbei auch wichtige Entscheidungen zu treffen.

Lasst uns über Geld reden

Sollten wir mit unseren Kindern über Geld sprechen? Ja klar, und zwar so früh möglich. Davon ist Kristin Wulf überzeugt.

Treffpunkt Familie-2
Kirstin Wulf Fotos: privat

Im Märchen fällt das Gold vom Himmel – oder ein Esel spuckt es verlässlich aus, sobald er das Wort „bricklebrit“ hört. Im wahren Leben will es zuweilen hart verdient oder gespart werden. Kinder sollten das möglichst früh lernen, da sind sich die Experten einig. Finanzbildung heißt das Zauberwort.

Doch damit ist es nicht weit her. In einer Umfrage im Auftrag des Bundesverbands deutscher Banken konnte ein Drittel der 14- bis 24-Jährigen nicht erklären, was eine Aktie ist. Etwa zwei Drittel gaben an, sie hätten in der Schule „nicht so viel“ oder „so gut wie nichts“ über Finanzen gelernt. Damit kommt den Eltern eine noch größere Rolle bei der Finanzbildung zu. Wie aber bringt man Kindern einen guten Umgang mit Geld bei?

Hier kommt Kirstin Wulf ins Spiel. Als die Politologin und Kommunikationsexpertin das Gefühl hatte, dass ihre Söhne in der Schule nicht viel über Finanzen lernten, gründete sie 2012 das Projekt „bricklebrit“. Sie gibt auch Seminare, Workshops und hält Vorträge an Schulen und Kindergärten und gibt Eltern Anregungen, wie sie das Thema Geld spielerisch in ihren Alltag integrieren können – auch online.

Viele Eltern wollen ihre Kinder möglichst lang fernhalten von dieser harten kapitalistischen Realität. „Das ist, als würde man die Kinder vom Verkehr fernhalten, weil der ja auch so gefährlich ist. Aber wenn die Kinder lernen sollen, sich sicher in der Welt da draußen zu bewegen, müssen wir uns in kleinen Schritten mit ihnen hineintasten“, sagt Kirstin Wulf. Sie ist überzeugt: Kinder brauchen einen positiven Zugang zum Thema Geld. „Wenn Geld negativ besetzt ist, ändert sich das auch später nicht mehr.“

Plastikperlen ab drei

Eines der wichtigsten Instrumente beim Sammeln von Gelderfahrungen sei Taschengeld. Aber wann fängt man am besten damit an? „Den Eltern wurde immer suggeriert, die Kinder müssten erst den Zahlenraum bis 20 oder 100 kennen, um überhaupt ein Gefühl für Geld zu haben“, sagt Wulf. Doch sie meint, dann sei es eigentlich schon zu spät. „Die Werbung wartet ja auch nicht. Sie wirkt mit Gefühlen und Gender-Stereotypen schon auf die Kleinsten ein. Wir müssen Kinder deshalb heute schon früher sensibilisieren.“ Sie gab ihren Söhnen schon mit drei Jahren bunte Plastikperlen, die sie ab einer bestimmten Anzahl gegen Dinge eintauschen konnten. Drei rote Perlen konnte man gegen eine blaue tauschen – für drei blaue gab’s ein Eis.

Um die Kinder beim Haushalten nicht zu überfordern, rät das Deutsche Jugendinstitut, das Taschengeld wöchentlich auszubezahlen. Es gibt zur groben Orientierung eine Taschengeldtabelle heraus. Bis zu sechs Jahren empfiehlt das Institut zwischen 50 Cent und einem Euro pro Woche. Dieser Betrag wird dann jedes Jahr um 50 Cent erhöht.

Für wichtiger als die konkrete Höhe des Taschengelds hält Wulf es, dass Kinder damit auch wirklich lernen, Entscheidungen zu treffen. Sie hat dazu ein Modell entwickelt. Dafür braucht man drei Haushaltsgläser. Jedes Glas bekommt einen Aufkleber. Das Glas mit der Aufschrift „Für später“ ist für Taschengeld gedacht, mit dem sich Kinder größere Wünsche wie einen Fußball oder eine Legokiste erfüllen. Ins Glas „Für jetzt“ kommt Geld, das sie zeitnah brauchen, zum Beispiel für den Eintritt ins Kino oder den Döner mit Freunden. Das dritte Glas trägt die Bezeichnung „Für Dich“. Hier sammeln Kinder Geld, das für andere bestimmt ist. Zum Beispiel für eine Blume für Oma oder einen Wohnungslosen vor dem Supermarkt.

Wulfs Erfahrung ist, dass Kinder mit den Gläsern Dinge lernen, mit denen auch Erwachsene oft Probleme haben. „Sie lernen geduldig sein, Prioritäten setzen, Entscheidungen treffen. Das fängt klein an.“

„Kinder geben wirklich gerne“

Das „Für-Dich-Glas“ bleibe bei den meisten Kindern nicht leer. „Wir gehen ja oft davon aus, dass Kinder gierige kleine Monster sind“, sagt Wulf. Ihre Erfahrung zeige etwas anderes: „Kinder geben wirklich gerne.“ In ihren Workshops regt sie manchmal an, dass die Kinder sich beim Kindergeburtstag in einen Kreis setzen und auswürfeln, wer als nächster sein Geschenk überreichen darf. „So wird der Moment des Gebens gewürdigt.“

Überhaupt biete der Alltag zahllose Gelegenheiten, um mit den Kindern ganz spielerisch über Geld oder Konsum zu reden. Wenn die Kinder im Supermarkt zum Beispiel unbedingt die Kekse mit den Paw-Patrol-Hunden statt der günstigeren Eigenmarke wollen: „Warum nicht mal beide kaufen und zuhause eine Blindverkostung machen?“, schlägt Wulf vor. In ihren Workshops lässt sie die Kinder manchmal nach einem Gegenstand in der Wohnung suchen, von dem sie irgendwann mal überzeugt waren, dass sie ohne ihn nicht leben könnten. „Die meisten Kinder bringen dann etwas, was längst unbesehen in der Ecke liegt.“ Sich bewusst zu werden, dass Wünsche sich verändern könnten, sei eine wichtige Erfahrung. Oder die Eltern suchen etwas, wofür sie umgerechnet eine Stunde lang gearbeitet haben. „Das macht den Wert des Geldes greifbarer.“

Doch auch wenn die Familie Geldsorgen hat, rät Wulf den Eltern ehrlich zu sein. „Man muss da keine Zahlen nennen. Aber es ist wichtig, den Kindern eine Einordnung zu geben. Sonst spüren sie, dass es etwas nicht in Ordnung ist und entwickeln Ängste.“ dob

→ Taschengeldtabelle des Deutschen Jugendinstituts: www.dji.de/themen/jugend/taschengeld.html

→ Bei Kakadu, dem Kinderpodcast von Deutschlandfunk Kultur, erklärt Kirstin Wulf kindgerecht, was Inflation ist: www.kakadu.de/wolkenweiss-100.html

Neue Artikel
esslinger-zeitung.de wurde gerade aktualisiert. Wollen Sie die Seite neu laden?