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Telefon-Reanimation: Leben retten durch den Hörer

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Gesundheit

Telefon-Reanimation: Leben retten durch den Hörer

Im Notfall herrschen Stress und Unsicherheit: Wie geht das mit der Reanimation? Wer nicht weiter weiß, aber helfen will, kann am Telefon Anleitung bekommen.

Telefon-Reanimation: Leben retten durch den Hörer

Im Notfall kann die Rettungsleitstelle bei der Reanimation anleiten. Foto: dpa/Benjamin Nolte

Es war eine lebensbedrohliche Situation und Millionen Menschen sahen sie mit an: Als der dänische Fußballspieler Christian Eriksen im Sommer während eines Europameisterschaftsspiels unvermittelt auf dem Platz kollabierte, wurden zweierlei deutlich: 1. Ein Herz-Kreislaufstillstand kann wie aus dem Nichts kommen. 2. Betroffene brauchen sofort Hilfe, um Überlebenschancen zu haben. Doch ganz ehrlich: Wenn Sie in so eine Situation gerieten, wüssten Sie, was zu tun ist?Auf jeden Fall ist es wichtig, überhaupt etwas zu tun. Die einfache Grundregel lautet: Prüfen, Rufen, Drücken. Man prüft also zunächst, ob die bewusstlose Person noch normal atmet. Dann wird der Notruf 112 gewählt – hier kommt schon der entscheidende Punkt für alle, die sich in dieser Situation unsicher sind: Die Leitstellen können eine Telefon-Reanimation durchführen. Sie können den Ersthelfer am anderen Ende der Leitung mit ihren Worten also anleiten. Das Problem ist, dass man sich in Deutschland nicht immer darauf verlassen kann, dass die Leitstelle nach der Aufnahme des Notfalls von selbst nachfragt, ob man solch eine Unterstützung benötigt. Das hat eine jüngst veröffentlichte Umfrage unter den 249 Leitstellen hierzulande gezeigt.

Dann könne es passieren, dass die Leitstelle sage: „Wir schicken einen Notarzt!“ – und den Anruf dann beende, sagt Bernd Böttiger. Dann kriege man keine Telefon-Reanimation. Böttiger ist Vorsitzender des Deutschen Rats für Wiederbelebung, der an dieser Umfrage beteiligt war. Die Forderung des Rates ist klar: Die Telefon-Reanimation in Deutschland müsse verpflichtend flächendeckend eingeführt werden, mit standardisierten Abläufen. Bisher ist das alles Ländersache und damit uneinheitlich geregelt.

Die gute Nachricht: In der Umfrage gaben alle Rettungsleitstellen an, dass sie grundsätzlich Telefonreanimationen durchführen – sollte also jemand am Telefon um Hilfe bitten, wird niemand auflegen. Genau dazu rät Böttiger ausdrücklich: „Wenn die Leitstelle nicht von selbst fragt, würde ich das einfordern und sagen: Helft mir bitte!“

Das Wissen um die Möglichkeit einer Telefonreanimation ist im Ernstfall elementar. Denn was Christian Eriksen vor den Augen der Welt zugestoßen ist, passiert deutschlandweit ungefähr 200 Mal pro Tag. Nur in rund jedem zehnten Fall geht das gut aus. Wird sofort mit der Herzdruckmassage begonnen, ist die Überlebenschance zwei- bis dreimal höher. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt: 10 000 Leben könnten jedes Jahr zusätzlich gerettet werden, wenn sich mehr Menschen Wiederbelebungsmaßnahmen zutrauen würden.

Viele Menschen haben tatsächlich Angst, jemanden zu reanimieren, der das gar nicht benötigt, sagt Marcus Aust vom Deutschen Roten Kreuz. Er beruhigt: „Eigentlich kann man als Laie nichts falsch machen.“ Sei jemand nicht mehr ansprechbar und zeige keine normale Atmung, dann starte man die Reanimation.

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Keine normale Atmung, das heißt vor allem: Wenn sich der Brustkorb innerhalb von zehn Sekunden nicht mehr sichtbar hebt und senkt. Und man auch keine Atemgeräusche hört und fühlt, wenn man sein Ohr über Nase und Mund des Betroffenen hält.

Bernd Böttiger ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am Uniklinikum Köln und seit langer Zeit gegen den plötzlichen Herztod engagiert. Er sagt: „Wir können mit zwei Händen so viele Leben retten, das ist unglaublich.“

Bis der Notarzt eintrifft, dauert es im Mittel acht bis zehn Minuten. Pumpt das Herz keinen Sauerstoff mehr durch den Körper, stirbt jedoch schon nach drei Minuten langsam das Gehirn ab. „Jeder Laie kann damit mehr tun als wir im Rettungsdienst oder im Krankenhaus“, sagt Böttiger, „weil wir meist zu spät dazu kommen.“ Umso wichtiger ist es, sich im Notfall daran zu erinnern: Einfach am Hörer bleiben und sich anleiten lassen. Tom Nebe

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