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Die Zukunft des Verkehrs ist elektrisch

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Finanzen

Die Zukunft des Verkehrs ist elektrisch

Experte empfiehlt eine Logistik-City in Echterdingen – Die Mobilität der Zukunft muss möglichst viele Verkehrsarten verknüpfen – Der Wandel zu Elektroautos kann auch neue Arbeitsplätze schaffen – Aber nicht unbedingt bei Autoherstellern

Die Zukunft des Verkehrs ist elektrisch

Urbane Luftseilbahnen (hier ein Beispiel aus Berlin) könnten eine Lösung für die Verkehrsprobleme der Städte sein. Foto: dpa/Britta Pedersen

Das Interesse an der staatlichen Förderung der Elektromobilität ist so groß wie nie“, sagt Michael Ziegler, der Präsident des Baden-Württembergischen Kraftfahrzeuggewerbes. Dies natürlich auch deshalb, weil ab dem kommenden Jahr die Förderung für den Kauf eines Elektroautos reduziert wird. Doch das hohe Interesse zeigt auch einen deutlichen Trend: Der Wandel zur Elektromobilität geht nicht nur unvermindert weiter, sondern nimmt Fahrt auf – die Zukunft des Verkehrs ist elektrisch. Dies gilt nicht nur für den Individualverkehr. Esslingen will das Netz seiner Oberleitungsbusse massiv ausbauen, in Stuttgart wird über eine Seilbahn für Vaihingen diskutiert, Experten der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC (Price Waterhouse Coopers) sehen auch die Zahl der elektrisch angetriebenen Lastwagen rasant wachsen.„Strom als Energieträger, die Batterie als Stromspeicher und der Elektromotor als Energiewandler sind der mit Abstand effizienteste und zukünftig auch kostengünstigste Weg für den Fahrzeugantrieb“, erläutert Franz Loogen, der Geschäftsführer der Landesgesellschaft e-Mobil BW. Natürlich werden auch Brennstoffzellen – etwa für Lastwagen und Schiffe – diskutiert, ebenso wie synthetischer Wasserstoff. Doch gerade dieser ist nach Meinung von Loogen weniger attraktiv – auch weil er auf absehbare Zeit noch sehr teuer bleiben werde.

Die Mobilität der Zukunft zu gestalten – das braucht mehr als alternative Antriebe. „Ökologische Ziele lassen sich am besten erreichen, wenn möglichst viele Menschen mit Bahn, Bus und Rad fahren und so viele Personenwagen wie möglich einen Elektromotor haben“, erklärt Loogen. Damit dies alles klappt, ist die Verknüpfung der einzelnen Verkehrsmittel ein ganz entscheidender Punkt. „Es darf keine langen Umsteigezeiten und keine langen Wege geben“, fordert er. „Die Umsteigepunkte müssen uns vor Regen schützen, sauber, hell und sicher sein.“

„Wenn man eine halbe Stunde warten muss, bis die Straßenbahn kommt, fährt man in das Parkhaus in der Innenstadt“, sagt Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility Westeuropa bei der Beratungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young). Und er hat auch gleich ein Beispiel parat, wie die schöne neue Mobilitätswelt aussehen könnte: „Ich komme aus Reutlingen und will in Stuttgart einkaufen. Mit dem Elektroauto fahre ich ins Parkhaus in Degerloch. Dann fahre ich mit dem Shuttle zum Hauptbahnhof. Dort nehme ich den Elektroscooter und fahre die Königstraße hoch, um einzukaufen.“

Gall hat übrigens auch schon einen Ort ausgemacht, der für das Umsteigen auch bei längeren Strecken besonders geeignet sein könnte: „Gut für die Verknüpfung verschiedener Verkehrsarten könnte eine Logistik-City in Echterdingen sein. Dort gibt es alles, einen Flugplatz, die Autobahn, die S-Bahn, viele Logistikdienstleister und mit Stuttgart 21 bald auch eine schnelle Verbindung von Stuttgart nach Ulm.“ In die Stadt würde dann öffentlich gefahren werden. Oder mit einem Flugtaxi geflogen.

In Bruchsal treibt Volocopter die Entwicklung eines elektrischen Fluggeräts für Passagiere voran, das etwa auf dem Dach eines Parkhauses starten und landen könnte. Eine Sprecherin gibt sich überzeugt, dass man damit nicht nur schneller in die Stadt käme als mit dem Auto, sondern eines schönen Tages auch durchaus preiswert: „Langfristig wird ein Flug mit dem Volocopter für jeden erschwinglich, der sich auch ein Taxi leisten kann“, meint sie. „Das Auto nimmt man dann nur noch, wenn man auf die Alb will“, sagt Gall. „Man muss die Mobilität vom Kunden her denken. Die entscheidende Frage ist, was nützt dem Kunden“, meint der EY-Experte. „Das Neun-Euro-Ticket hat gezeigt, dass die Menschen ein in der Nutzung einfaches Angebot annehmen“, meint Loogen.

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Fliegen wir künftig durch die Stadt? Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Carsharing, Parkmöglichkeiten, die in der Innenstadt weit teurer sind als in den Randbereichen – all dies könnte auch helfen, um die Städte zu entlasten und mehr Platz für Fußgänger zu schaffen. „Autonom fahrende Autos könnten tagsüber Passagiere und nachts Pakete transportieren“, sagt Loogen. Und nicht nur, weil solche Autos eher Fahrzeuge als „Stehzeuge“ sind, die die meiste Zeit nicht genutzt werden, ist für Gall eines sicher: „Die Zahl der Autos wird mittelfristig deutlich sinken.“ Dies dürfte indes nicht ohne Folgen für die Arbeitsplätze bleiben – zumal etwa ein Elektromotor weniger aufwendig hergestellt wird als ein Verbrenner. Nicht nur der Wandel zur Elektromobilität ist hierfür entscheidend.

„Es darf keine langen Umsteigezeiten und keine langen Wege geben.“

Franz Loogen, Geschäftsführer der Landesgesellschaft e-Mobil BW

Was zu Buche schlägt ist auch, wie viel die deutschen Autobauer künftig im Ausland produzieren und wie sie die Automatisierung ihrer Fabriken vorantreiben. Neue Arbeitsplätze könnten im IT-Bereich entstehen für autonom fahrende Autos, aber „auch bei der Montage von Windrädern oder Fotovoltaikanlagen“, meint Loogen. „Die Transformation kann für Baden-Württemberg ausgesprochen positiv sein“, vermutet der e-Mobil-BW-Geschäftsführer. Das gilt besonders dann, wenn funktioniert, woran die Universität Stuttgart und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemeinsam unter dem Dach des Innovationscampus Mobilität der Zukunft forschen: „Wir arbeiten an Elektromotoren, die leichter, effizienter, leistungsfähiger und gleichzeitig nachhaltiger sind“, berichtet Max Hoßfeld, der Stuttgarter Geschäftsführer. Seine Karlsruher Kollegin Sandra Kauffmann-Weiß nennt einen Punkt, der für Nachhaltigkeit stehen könnte: „Wir forschen auch an E-Motoren, die ohne seltene Erden auskommen. Das macht uns unabhängiger von Lieferketten.“

Die Wissenschaftler tüfteln aber nicht nur an neuen Motoren, sondern erforschen auch, wie die Arbeitsabläufe in den Fabriken verbessert werden könnten. Gefördert wird dies mit insgesamt 70 Millionen Euro. All dies hilft nach Ansicht von Wissenschaftsministerin Petra Olschowski, dass sich „Baden-Württemberg vom Auto-Land zum Mobilitätsland entwickeln kann“. Ulrich Schreyer

Mobilität

Elektroautos: Bundesweit waren bis zum Juli 2022 nach den Angaben des Kraftfahrtbundesamtes mehr als 756 500 Elektroautos unterwegs. Das sind fast 150 000 Fahrzeuge mehr als noch zu Beginn des Jahres. Nach den Angaben von E-Mobil Baden-Württemberg sind bundesweit 70 000 öffentliche Ladepunkte installiert. Im Jahr 2030 wären dann aber zwischen 400 000 und 800 000 Ladepunkte nötig. Dann sollen nach den Plänen der Bundesregierung zehn Millionen Elektroautos unterwegs sein. Dann werden voraussichtlich aber immer noch 30 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennermotor auf den Straßen sein.

Mobilitätscampus: Der Innovationscampus Mobilität der Zukunft (ICM) wurde 2019 gegründet und wird vom Land mit 70 Millionen Euro gefördert. Am Innovationscampus, der etwas ähnliches sein soll wie das Cyber Valley für Künstliche Intelligenz, arbeiten 200 Wissenschaftler, vorwiegend von der Universität Stuttgart und vom Karlsruher Institut für Technologie (Kit) zusammen. Kooperiert wird auch mit anderen Einrichtungen wie den Hochschulen in Aalen und Reutlingen sowie der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim. Geforscht wird auch an einer Verbesserung von Produktionsprozessen in Unternehmen. Dabei soll auch Künstliche Intelligenz eine Rolle spielen. Gearbeitet wird auch an speziellen Sensoren für autonomes Fahren. Im kommenden Jahr wollen die Forscher dazu ein erstes Demonstrationsfahrzeug vorstellen. us

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