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Reichenbach: Einst verlief die B 10 mitten durch den Ort

Siegfried Röder lässt die Ortskernsanierung Revue passieren. Die Verlegung der Fils für den Bau der Bundesstraße war ein Einschnitt - aber sie hat dem Ort Entwicklungschancen eröffnet.

Reichenbach: Einst verlief die B 10 mitten durch den Ort

Die Reichenbacher Hauptstraße ist schon lange keine „Misthaufenallee“ mehr. Foto: Karin Ait Atmane

REICHENBACH. Natürlich erinnert sich Siegfried Röder an die sogenannte „Misthaufenallee“. Sie verlief mitten durch Reichenbach und lag auf seinem Weg vom Elternhaus zur Brunnenschule. Vor 50 Jahren gab es sie noch, allerdings war das neue Rathaus bereits seit 1964 bezogen und die Ortskernsanierung wurde schon diskutiert. Es dauerte noch, bis schließlich 1980 alle Verträge mit den Grundstückseignern besiegelt waren. Dann wurde Stück für Stück neu gebaut und die Hauptstraße mit ihren Platanen als verkehrsberuhigte Zone gestaltet. Zuerst war der obere Teil bis zur Wilhelmstraße dran, der zurzeit wieder zur Sanierung steht.

Später folgte der untere Teil, in dem immerhin zwei historische Gebäude erhalten blieben: Das ehemalige Gasthaus Krone und der vordere Teil von Danners Schuppen wurden saniert, der hintere Teil des Schuppens fiel. „Das war schon mit Wehmut verbunden, auch bei den Vereinen“, sagt Röder. So hatte beispielsweise die Concordia gerne hier ihre Feste gefeiert.

Aber die Gemeinde hat damit eine schmucke Ortsmitte bekommen, findet Röder. Besonders gut gefällt dem gebürtigen Reichenbacher die Grünzone mit Zugang zum Reichenbach direkt beim Rathaus. „Das finde ich sehr gelungen“, sagt er. „Zuerst haben die Leute geschimpft, weil es teuer sei. Jetzt wird es bestens angenommen.“ Der 80Jährige hofft sehr, dass auch das verbleibende Stück des Baches bis zur Filsmündung bald renaturiert werden kann.

Die 80er Jahre haben auch andere, große Umwälzung gebracht: den Bau der B 10 auf Reichenbacher Markung zum Beispiel. Dass man dafür die Fils nach Süden verlegte, hält Siegfried Röder für einen „Glücksgriff“: „Damit konnte man die Bahn und die neue B 10 nebeneinander führen, als gebündelten Verkehrsstrom.“ Wodurch wiederum eine große Grünzone im Bereich Kanalstraße und Fils möglich wurde. Allerdings mussten einige Einrichtungen weichen: die Radsporthalle, der alte Sportplatz, die Turnvereinshalle, damals schon als Kulturzentrum genutzt, das alte Freibad, das genau im Bereich des heutigen Flusslaufs lag. Es wurde 1975 geschlossen, das neue Bad - auf Hochdorfer Grund, aber von Reichenbach betrieben - eröffnete pünktlich zur nächsten Saison im Mai 1976. 1988 übernahm dann die neue B 10 einen großen Teil des Verkehrs. Dass all diese Autos heute noch durch den Ort rollen würden, das sei unvorstellbar, sagt Röder.

Er selbst hat als Gemeinderat zwei Amtszeiten lang viele der großen Weichenstellungen begleitet. lang Vorsitzender Schulamtsdirektor Zudem war er viele Jahre des CVJM und beruflich als für die Realschulen zuständig, auch für die in seiner Heimatgemeinde. Mit der Brunnenschule hatte er dagegen vor allem private Berührungspunkte: einst als Schüler, später als Vater, dann als Opa. „Mal sehen, wie es wird“, sagt er über den laufenden Umbau des Backstein-Gebäudes zum Wohnhaus. Es gebe einige in Reichenbach, die sich eine öffentliche Nutzung gewünscht hätten. Ebenso gebe es Stimmen, die die hohe Dichte der neuen Wohnquartiere im Bau bemängeln. Und manche hätten sich gewünscht, dass im Quartier am Schafhaus mehr Reichenbacher Familien zum Zug kommen. Das sind Meinungen, die Röder gehört hat. Unterm Strich steht für ihn aber fest: „Es gibt keine Alternative zu einer verdichteten Bebauung.“ Für Reichenbach mit seiner relativ kleinen Gemarkung, von der die Hälfte Wald ist, gelte das ganz besonders. 

Vor 50 Jahren war die Gemeinde - bei annähernd der gleichen Einwohnerzahl wie heute - stärker industriell geprägt. Betriebe produzierten teils mitten im Ort. Die Wirtschaftskrise in den 90er Jahren hat einige Reichenbacher Firmen getroffen. So musste Traub Insolvenz anmelden und ist heute ein Teil von Index. Die ehemalige Otto-Spinnerei wurde zum Gewerbepark. Electrostar ist vor wenigen Jahren nach Ebersbach abgewandert. Dieses Firmengelände soll neu bebaut werden: das ist eines der großen anstehenden Projekte, der Schul- und Sportcampus ein anderes.

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist für Röder das zentrale Thema, auch im Hinblick auf den sozialen Frieden und den Zusammenhalt. Das 750-jährige Jubiläum der Gemeinde, das 2018 gefeiert wurde, hat er genossen. „Das war ein tolles Fest, eine echte Gemeinschaftsleistung“, sagt er. „Vereine, Neubürger, Altbürger, aus den Ortsteilen - alle haben mitgemacht.“ Karin Ait Atmane

Rund um die Serie

Motto: Die Stadtteil- und Kreisserie der Eßlinger Zeitung steht in diesem Jahr ganz im Zeichen des Landkreisjubiläums. Der Landkreis wird 50 Jahre alt.

Inhalte: Die Serie beleuchtet, wie sich die jeweiligen Orte in den vergangenen 50 Jahren entwickelt haben. Dabei wird sich zeigen, wie vielseitig die Kommunen im Kreis sind. Schon allein geografisch, da sich das Gebiet von den Fildern übers Neckartal bis hinauf auf den Schurwald erstreckt. Die Serie blickt nicht nur zurück auf die vergangenen fünf Jahrzehnte, sondern betrachtet auch die Gegenwart. Auch, dass jede Kommune mit eigenen Herausforderungen zu kämpfen hat, wird eine Rolle spielen.

Folgen: Die Serie wird bis zum 19. Juli erscheinen. Insgesamt gibt es 23 Teile, die mittwochs und freitags erscheinen. Nächste Folge: Oberesslingen. red

Der Reichenbach als Rennstrecke

Zahlreiche Veranstaltungen prägen das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde mit 8500 Einwohnern.

REICHENBACH. Reichenbach ist nach dem gleichnamigen Bach benannt, der allerdings nur einer von mehreren Wasserläufen in der Gemeinde ist. Er schwillt manchmal bei Regen besonders stark an, deshalb das Attribut „reich“, das für „stark“ steht. Ein Hochwasserrückhaltebecken, das 2020 in Betrieb ging, soll Überschwemmungen durch diesen Bach künftig vorbeugen.

Reichenbach hat rund 8500 Einwohner, im Jahr 2018 konnte die Gemeinde das 750jährige Jubiläum ihrer ersten urkundlichen Erwähnung feiern. Ansonsten finden die Dorffeste in Reichenbach in unregelmäßigem Abstand statt. Aber auch in den Jahren dazwischen locken vergnügliche Veranstaltungen, wie das beliebte Entenrennen: Dafür werden Hunderte von Badeenten von der Brücke Gerberstraße aus zu Wasser gelassen und schwimmen um die Wette bis zum Ziel am Rathaus. Die Werbeinitiative WIR, ein Zusammenschluss von Gewerbetreibenden, organisiert Märkte mit verkaufsoffenen Sonntagen wie den „Frühjahrsputz“ oder den Novembermarkt.

Derzeit größtes Projekt in der Gemeinde ist der Schul- und Sportcampus, dessen Weiterentwicklung mit dem Bau der Sporthalle mit Mensa begonnen hat: allein dafür liegen die Kosten bei mehr als 17 Millionen Euro. Aber auch in Sachen Kinderbetreuung muss die Gemeinde kräftig investieren. aia


Zahl des Tages

Heute: Feuerwehr

23 Mitglieder hat die Jugendfeuerwehr Reichenbach, drei davon sind Mädchen. Die Jugendlichen zwischen zehn und 17 Jahren treffen sich alle zwei Wochen. Unter den 61 erwachsenen, aktiven Einsatzkräften der Freiwilligen Feuerwehr sind vier Frauen. aia


Das Zitat des Tages

Foto: Karin Ait Atmane
Foto: Karin Ait Atmane
„Reichenbach ist immer noch ein Dorf und man kennt sich - und gleichzeitig hat man die Anbindung an die großen Zentren. Was ich total schön finde: Wenn man möchte, kann man sich an vielen Stellen engagieren und damit einbringen. Das ist hier besonders ausgeprägt.“

Petra Schultz engagiert sich unter anderem beim Sommerferienlager und beim Entenrennen.
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