Das Beste aus Esslingen.
Unbegrenzt lesen mit EZ Plus.
Das Beste aus Esslingen. Mit EZ Plus unbegrenzt Inhalte der Esslinger Zeitung lesen.
Der Friedhof der Jagdhunde

Anzeige

Fachgeschäfte

Der Friedhof der Jagdhunde

Die Förster des Hauses Württemberg haben in einem Waldstück bei Lobenrot 13 Vierbeiner bestattet. Die Anlage ist schon 100 Jahre alt.

Der Friedhof der Jagdhunde

Wo der Hund begraben liegt: Zwischen zwei Schotterwegen im Esslinger Stadtwald befindet sich der kleine Friedhof. Foto: Elke Hauptmann

Das Relikt der Zeitgeschichte kommt ziemlich unscheinbar daher. Es taucht für den ahnungslosen Spaziergänger unvermittelt auf: Mitten an einer Wegkreuzung im Esslinger Stadtwald Ettenfürst, zwischen dem Aichwalder Teilort Lobenrot und dem Stettener Bachtal, bleichen ein paar alte Steine in der Mittagssonne, die sich in Streifen durchs dichte Blätterwerk von mehr als 100 Jahre alten Douglasien, Roteichen und Thujen kämpft. Wilder Bewuchs verdeckt den Blick auf die scheinbar zufällig herumliegenden Sandsteinquader. Diese haben unterschiedliche Formen, sind teilweise zerbrochen und mit Moos überzogen. Nur noch bei wenigen lassen sich die eingeritzten Inschriften entziffern.„Bum 1912/1923“ ist auf einem der verwitterten Steine zu lesen. Auf einem anderen „Harras 1905/1916“. Zweifellos handelt es sich da zwischen zwei geschotterten Wegen um Gräber. Doch wer sind diese Toten unter der Erde, irgendwo im Nirgendwo? Ein schlichtes Holzschild an einem Baumstamm klärt auf, dass es sich um Hundegräber handelt. Um sehr alte Hundegräber, um es genau zu sagen. Vermutlich ist das, was an der Kreuzung von Saurain- und Ettenfürsttal - sträßchen liegt, „einer der ältesten Tierfriedhöfe Europas“, verkündet die Stadt Esslingen als Besitzerin des Waldstückes voller Stolz auf ihrer Homepage.

Angelegt wurde er von Forstwart Friedrich Wilhelm Hohl (1869-1932), der 1897 unter dem württembergischen König Wilhelm II. seinen Dienst im Forstrevier Lobenrot antrat und bis zu seinem Tod dort tätig war. Die beiden ältesten Gräber sind Wolle, der 1896 geboren wurde, und Lisel, die gerade mal fünf Jahre alt geworden ist, gewidmet. Beide wurden im Jahr 1912 begraben. Damit sind die Lobenroter Hundegräber nur 13 Jahre jünger als der „Cimetière des chiens et autres animaux domestiques“ (Friedhof für Hunde und andere Haustiere) in Asnières-sur-Seine bei Paris, der als einer der ältesten Tierfriedhöfe der Welt gilt. Er war, als er 1899 angelegt wurde, eine Sensation. Denn mit seiner Eröffnung wurde erstmals auch für tote Haustiere Sorge getragen und der gängigen Praxis der Pariser, die Körper irgendwo zu verscharren oder sie in den Fluss zu werfen, ein Ende gesetzt.

Der Friedhof der Jagdhunde-2
Eines der jüngeren Gräber: Schupf bleibt geliebt und unvergessen. Foto: Elke Hauptmann

Warum Förster Hohl 1912 die beiden Jagdhunde – und jene, die Wolle und Lisel später folgten – ausgerechnet an dieser abgeschiedenen Stelle in seinem Revier zur letzten Ruhe bettete, ist nicht überliefert. Dass sie so würdevoll bestattet wurden, lässt sich hingegen erklären: Zu Zeiten Wilhelms II. spielte die Jagd eine große Rolle. Für diesen Zweck war es üblich, dass die Förster in seinen Wäldern entsprechende Hunde vorhielten, die meist aus teuren Zuchten stammten. Möglicherweise war ein ordentliches Begräbnis der edlen Tiere damals im württembergischen Königshaus durchaus üblich. Denn Wilhelm II. war nicht nur ein passionierter Jäger, sondern auch ein ausgewiesener Hundenarr: Seine weißen Spitze Ali und Rubi waren seit 1907 die ständigen Begleiter des Regenten.

Auch der Lobenroter Forstwart dürfte eine gewisse Beziehung zu seinen Tieren gehabt haben. Bekannt ist, dass Friedrich Hohl immer mehrere Hunde gleichzeitig hielt. Für gewöhnlich gab es neben dem obligatorischen Försterdackel, mit dem die Baujagd auf Fuchs und Dachs betrieben wurde, oft einen größeren Vorstehhund für die Jagd auf Hase und Rebhuhn. Die größeren Hunde hatten zu dieser Zeit aber auch noch eine andere, sehr wichtige Aufgabe: Sie sollten den Forstbeamten bei Auseinandersetzungen mit Wilderern und Holzdieben schützen – zu Lebzeiten von Friedrich Hohl ein durchaus reales Berufsrisiko, so mancher Förster kam auf diese Weise ums Leben.

Der Friedhof der Jagdhunde-3

Hohl blieb nicht der einzige, für den dieser Ort der Stille im Wald etwas Besonderes war: Auch seine Nachfolger haben bis in die 1970er-Jahre ihre Jagdhunde dort begraben. Davon zeugen bis heute die Grabsteine, die aus kleinen Grenzsteinen gearbeitet wurden – für Priska, Hexe Senta, Maus und Schlupf, die verstorbenen Hunde der Förster des Hauses Württemberg. Diese Praxis war nicht selten, so haben auch die Heilbronner Förster und Jagdpächter zwischen 1933 und 1975 ihre Hunde im dortigen Stadtwald beerdigt.

Die Tradition im Lobenroter Forst endete mit dem Eigentümerwechsel: Seit den 1980er-Jahren gehört der ehemals königliche Wald der Stadt Esslingen, die den „Ettenfürst“ zusammen mit anderen Waldungen auf den Gemarkungen Esslingen, Aichwald und Kernen von der Hofkammer des Hauses Württemberg erworben hat. Seitdem kümmern sich die Förster der früheren Reichsstadt um die letzte Ruhestätte der königlichen Jagdhunde. Sie selbst begraben dort keine Tiere mehr. Denn das ist laut Gesetz nur noch nach sehr strengen Regeln auf eigenem Grund möglich oder auf offiziellen Tierfriedhöfen, aber auf keinen Fall mehr im öffentlichen Bereich, zu dem der Wald zählt. Elke Hauptmann

Tierbestattungen

Geschichte: Würdevolle Tierbestattungen gibt es seit mindestens 10 000 Jahren. Die ersten Spuren führen nach Israel und Zypern. Auch im Alten Ägypten gehörten rituelle Tierbestattungen zur Kultur – eine Tradition, der durch Mittelalter und Renaissance hindurch vor allem Könige folgten. So hat beispielsweise Preußens König Friedrich II. Hunde, die vor ihm starben, neben der Terrasse seines Schlosses Sanssouci bestatten lassen. Die Neuzeit der Tierbestattung begann 1899 in Paris mit der Eröffnung des Cimetière des Chiens. Mittlerweile sind auf diesem Tierfriedhof mehr als 100 000 Tiere begraben, darunter auch ein Pferd und ein Löwe.

Entwicklung: In Deutschland haben im 20. Jahrhundert zuerst Tierheime kleine Friedhöfe angelegt, gefolgt von Privatinitiativen. Inzwischen gibt es bundesweit rund 120 Tierfriedhöfe. 1997 wurde dann das erste deutsche Tierkrematorium in München eröffnet, mittlerweile sind es schon 30 an der Zahl. Zudem gibt es rund 160 Tierbestatter. Laut dem Bundesverband der Tierbestatter wurden im Jahr 2021 etwa 8000 Haustiere in Deutschland beigesetzt. Der jährliche Umsatz der Branche wird auf 16 bis 20 Millionen Euro geschätzt. eh

Neue Artikel
esslinger-zeitung.de wurde gerade aktualisiert. Wollen Sie die Seite neu laden?