Das Beste aus Esslingen.
Unbegrenzt lesen mit EZ Plus.
Das Beste aus Esslingen. Mit EZ Plus unbegrenzt Inhalte der Esslinger Zeitung lesen.
"Das Reiseziel ist gar nicht immer das Wichtigste"

Anzeige

Kreis Esslingen

"Das Reiseziel ist gar nicht immer das Wichtigste"

Was ist das Schöne an einer Busreise? "Die Gemeinschaft", sagt Touristikexpertin Melina Strohkirch. Und dass sie einfach ungemein unkompliziert ist.

"Das Reiseziel ist gar nicht immer das Wichtigste"

Ab in den Süden: Busreisen nach Italien sind gefragt. Foto: bdo

Corona hatte die Busreiseunternehmen von einem Tag auf den anderen zu einer Vollbremsung gezwungen ,,Dieser Sommer war der erste, der wieder halbwegs normal gelaufen ist", sagt Melina Strohkirch, Referentin für Touristik beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo). Im Moment liefen die Skireisen und die Reisen zu den Weihnachtsmärkten wie Nürnberg oder Dresden sehr gut an.

Hört man sich in der Branche um, ist deutlich zu spüren, dass die Gäste einen großen Nachholbedarf an Reisen haben. Im Bus reisen gewöhnlich Jugendliche zu Klassenfahrten und Skiausfahrten.

Immer einen Ansprechpartner

Bei Busgruppenreisen liegt die Altersstruktur jedoch in der Regel bei 60 plus, sagt Strohkirch. Die Senioren wissen die Vorzüge einer Busreise zu schätzen: Wer mit dem Bus Urlaub macht, muss sich um nichts kümmern. „Es ist einfach eine sehr unkomplizierte Reiseart. Man wird fast von zuhause abgeholt und man hat immer einen Ansprechpartner", sagt Strohkirch. Für alles ist gesorgt: Gepäck, Quartiere, Essen, Öffnungszeiten. ,,Die Reisenden erwarten, dass die Reise sicher ist, dass sie einen reibungslosen Ablauf haben - und gute Unterhaltung." Dazu kommt: Der Bus rangiert in Sachen Klimabilanz weit vor Auto und Flugzeug.

Viele Senioren planen ihren Sommerurlaub, zum Beispiel an die Nord- oder Ostsee, mit dem Bus, manchmal bis zu vier Wochen. Doch der Großteil der Busreisen dauert zwei bis drei Tage. Daher wählen die meisten Reisenden ein Ziel, das nicht mehr als 400 Kilometer entfernt liegt. ,,Italien steht hoch im Kurs, vor allem Südtirol, aber auch Österreich und die Niederlande", sagt Strohkirch. Bei den Städten ist alles gefragt, was auch kulturell etwas zu bieten hat, gern auch Musicals oder große Theatersäle wie in Hamburg oder Dresden. Durch die Pandemie sind die deutschen Reiseziele noch stärker in den Fokus gerückt. „Aber Paris geht wirklich immer", sagt Strohkirch. Gefragt seien auch Städtereisen nach Wien, Salzburg oder Prag.

Ältere Menschen nutzen den Bus laut Strohkirch oft auch für eine Reise in die Vergangenheit, an die Orte, wo sie geboren sind und von wo sie während des Zweiten Weltkriegs fliehen mussten. Zum Beispiel nach Stettin im heutigen Polen.

„Oft entstehen Reisefreundschaften"

„Für viele Kundinnen und Kunden ist das Reiseziel aber gar nicht das Wichtigste", hat Melina Strohkirch festgestellt, die auch selbst immer wieder Busreisen begleitet hat. ,,Sehr wichtig sind der Busfahrer und vor allem auch der Reiseleiter. Damit ist auch für Unterhaltung gesorgt. Wir hatten zum Beispiel oft einen Reiseleiter dabei, der gern gesungen hat." Während der Busfahrten, aber auch beim Essen und wenn man abends noch im Hotel zusammensitzt, rücken auch die Reisenden näher zusammen. „Da entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, dem kann man sich kaum entziehen“, sagt Strohkirch. Häufig entstünden dabei Reisefreundschaften und die Gäste meldeten sich für die nächste Busreise gleich gemeinsam an. Für Busreisen melden sich auch häufig Einzelreisende an. ,,Das sind häufiger Frauen, ich weiß nicht genau, warum", sagt Strohkirch.

Die Busreiseveranstalter haben in den vergangenen Jahren technisch aufgerüstet. Tourguide-Mikros und Kopfhörer sowie WLAN an Bord sind laut Melina Strohkirch inzwischen weitgehend Standard in der Branche. „Die ersten Unternehmen haben auch eigene Apps. Über die kann man mit der Reiseleitung chatten und findet Vorschläge für Unternehmungen, wenn man mal was ohne die Gruppe unternehmen will. Und man kann sich sogar via GPS zurücklotsen lassen, falls man sich doch verirrt.“ Vor Ort bieten inzwischen viele Städte Gruppenführungen mit Virtual-Reality-Brillen an. „Das heißt, man steht zum Beispiel vor dem Kölner Dom und sieht und erlebt ganz plastisch, wie es hier vor 300 Jahren ausgesehen hat."

Für die Busreiseveranstalter sind die Zeiten noch längst nicht so rosig wie vor der Pandemie. Umsatztechnisch fehle den Unternehmen im Vergleich zu 2019 noch mindestens ein Drittel. „Die Buchungen für den Winter sind angelaufen, aber ab dem Frühjahr besteht so gut wie keine Planbarkeit", sagt Tourismusreferentin Strohkirch. ,,Die Menschen buchen immer kurzfristiger, durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise warten viele erst mal ab." dob

Neue Artikel
esslinger-zeitung.de wurde gerade aktualisiert. Wollen Sie die Seite neu laden?